Agrarpolitik

GVO-Haftungsfragen im geltenden Recht geregelt

19.12.2003

Nachbarschaftsrecht gewährleistet Interessenausgleich im Rahmen der Koexistenz Eisenach (DMK) – Das geltende Recht hält effektive Regelungen für Fragen der Haftung im Zusammenhang mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) bereit. Zusätzliche Gesetze seien weder erforderlich noch rechtlich haltbar, betonte Christoph Herrlinger, Justitiar des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter e.V. (BDP), auf der Jahrestagung des Deutschen Maiskomitees e.V. (DMK) in Eisenach. „Das geltende deutsche Nachbarschaftsrecht gewährleistet einen angemessenen Interessenausgleich im Rahmen der Koexistenz konventioneller, transgener oder ökologischer Kulturen. Ein spezielles Nachbarschaftsrecht für GVO ist daher weder sachlich geboten noch rechtlich haltbar“, sagte Herrlinger. Einseitige und unverhältnismäßige Haftungssysteme zu Lasten einer bestimmten Anbauform würden den Leitlinien der Kommission zur Koexistenz widersprechen. Sie würden zudem höherrangiges Recht, wie die durch den EG-Vertrag garantierte Freiheit des Warenverkehrs, verletzen. Herrlinger erläuterte, dass man im Rechtssystem grundsätzlich zwischen der bloßen Anwesenheit von GVO und sicherheitsrelevanten Schädigungen durch GVO unterscheiden müsse. Sollte sich ein GVO aufgrund einer Eigenschaft, die durch die gentechnische Veränderung erzeugt wurde, als schädlich für die Gesundheit erweisen, gilt die jeweils verschuldensunabhängige Haftung nach dem Gentechnikgesetz (§ 32) oder nach dem Produkthaftungsgesetz. Das Gentechnikgesetz greift, sofern die Genehmigung zur Inverkehrbringung noch nicht erteilt wurde. Anderenfalls wird das Produkthaftungsgesetz angewendet. In beiden Fällen muss zusätzlich das allgemeine verschuldensabhängige Haftungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) berücksichtigt werden. Konflikte und Fragen der Haftung, die sich durch die Anwesenheit von GVO, beispielsweise aufgrund des Anbau auf Nachbarflächen ergeben, fallen neben dem allgemeinen Haftungsrecht nach BGB unter das Nachbarschaftsrecht. Ziel des Nachbarschaftsrechtes, das in § 906 BGB geregelt ist, ist die Wahrung der Interessen beider Nachbarn an der berechtigten Nutzung ihrer Flächen. Es orientiert sich daher streng am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das Gesetz gewährt grundsätzlich einen Anspruch auf Abwehr bei wesentlichen Beeinträchtigungen oder auf Ausgleich, für den Fall, dass eine Abwehr unverhältnismäßig wäre. Die Beurteilung darüber, was unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten eine wesentliche Beeinträchtigung darstellt, erfolgt nach objektiven Kriterien, zum Beispiel den Schwellenwerten für GVO. Die Ansprüche sind in diesem Fall ausnahmsweise unabhängig von einem Verschulden.